Tokio Hotel Interview 2015

TOKIO HOTEL INTERVIEW – WE ARE GLAD TO BE BACK!

TOKIO HOTEL INTERVIEW – Kings of Suburbia

Fashionstreet-Berlin hat zusammen mit dem Superior-Mag TOKIO HOTEL getroffen und die Band in Berlin am 25. Februar 2015 interviewt.

Nach 5 Jahren ist im Oktober 2014 das vierte Studioalbum Kings of Suburbia vom Label Island Records veröffentlicht worden. Es ist das erste Album, welches komplett in englisch produziert wurde. Die TOKIO HOTEL Club Tour 2015 startet am 6. März 2015 in London, es sind auf der Europatour auch die deutschen Städte Frankfurt, München und Berlin auf dem Programm, allerdings sind die Deutschen Konzerte schon ausverkauft. Fashionstreet-Berlin hat das Interview in Englisch geführt, die deutsche Fassung befindet sich in diesem Artikel, die englische textuelle Fassung findet Ihr beim Superior-Mag.

TOKIO HOTEL INTERVIEW 2015 – deutsch

Seit Eurem letzten Album (Humanoid, 2009) sind 5 Jahre vergangen. Wie hat sich der Arbeitsprozess bei „Kings of Suburbia“ verändert?

Bill: Ich glaube, der größte Unterschied zwischen „Kings of Suburbia“ und allen anderen Alben ist, dass wir dieses Mal alles selber produziert haben. Wir hatten ein Homestudio, das war für uns neu. Auch gab es dieses Mal kein Zeitlimit – wir haben einfach geschrieben und Musik gemacht, es musste zu keinem bestimmten Punkt fertig sein. Wir haben einfach gemacht, was wir lieben und konnten ein Album aufnehmen, mit dem wir uns wohlfühlen.

Tom: Ich finde, alles hat sich verändert. Unser erstes Album kam vor zehn Jahren raus! Da waren wir 15, jetzt sind wir 25. Die ganze Band hat sich verändert. In der Art, wie wir produzieren, schreiben und Musik machen. Wir haben uns als Künstler verändert, aber auch als Menschen. Der einzige, der gar keine Entwicklung durchgemacht hat, ist Georg… (lacht)

Georg: Ich bin immer noch frisch!

Tom: Du bist immer noch der Bassist. Aber davon abgesehen hat sich alles verändert…

Bill: Aber auf natürliche Weise!

Tom: Und das sollte es auch. Es wäre schrecklich, wenn wir uns in den letzten 10 Jahren nicht verändert hätten und genau gleich musizieren würden wie damals.

Bill Kaulitz Interview 2015 Tokio Hotel
Bill Kaulitz (Tokio Hotel) – (c) Marc Huth

Ihr habt einen starken Zusammenhalt. Was verbindet euch?

Bill: Wir sind zusammen aufgewachsen, wir waren schon vor Tokio Hotel befreundet und haben zusammen in dieser Kleinstadt gelebt. Wir waren die einzigen jungen Musiker da!

Tom: Und vor Tokio Hotel waren wir ja auch schon 5 Jahre in einer Band.

Bill: Weil wir uns schon so lange kannten und so gut befreundet waren, fühlt es sich eher wie eine Familie an. Wir sind nie an einem Punkt angelangt, wo wir wirklich schlimm gestritten haben. Wir respektieren einander und unsere Unterschiede – ich glaube, das ist der Grund.

Als ihr nach Kalifornien gezogen seid – habt Ihr euch eigentlich auch nach anderen Formen der Kunst umgeschaut?

Tom: Wir haben uns einfach auf die Musik konzentriert. Aber weil ja nur Bill und ich nach Los Angeles gezogen sind, fragen uns immer alle: „Aber wie ist das denn für die Band?“ Ich glaube, sowas kann man nur machen, wenn man sich wirklich nahe steht. Es stand einfach nie zur Frage, das wir uns trennen oder jemand was anderes macht. Bill interessiert sich sehr für Mode, aber abgesehen davon war Musik immer unsere erste Priorität.

Der “L.A. Stereotyp”: Super sportliche, gesundheitsverrückte Veganer. Könnt Ihr das bestätigen?

Tom: Definitiv.

Bill: Manchmal fühle ich mich wie ein Junkie, wenn ich da bin. Alle da sind so gesund! Wir rauchen, wir trinken, wir machen keinen Sport und wir essen so viel Junk Food, es ist abnormal. Die Leute gehen da echt früh schlafen.

In Berlin ist das ja ziemlich anders…

Bill: Mein Leben wäre hier nicht so einfach, aber ich liebe Berlin über alles.

Tom: Von allen deutschen Städten gefällt mir Berlin am meisten. Ich denke auch darüber nach, mir hier eine Wohnung zu holen.

Bill: Jetzt, wo wir nicht mehr in Deutschland leben, haben wir es auch wirklich zu schätzen gelernt.

Habt Ihr in L.A. oft erlebt, wie verschiedene Mentalitäten aufeinander getroffen sind?

Bill: L.A ist wunderschön, aber manchmal etwas “fake” und unzuverlässig. Aber als Deutsche wurden wir dazu erzogen, pünktlich zu sein. Wir kommen nie zu spät, auch nicht im schrecklichen L.A. traffic. Das ist typisch deutsch – und deswegen mögen Amerikaner Deutsche auch, glaube ich.

Was war Euer Lieblingsmoment in L.A.? Und wo seid Ihr zu Hause?

Bill: Ich glaube, ich könnte morgen irgendwo hinziehen… solange mein Hund, Bruder, meine Familie und meine Freunde dabei sind, ist das für mich mein Zuhause. Wir sind schon so viel gereist, Tom und ich hatten unsere erste eigene Wohnung, als wir 15 waren. Und dann waren wir so lange on tour…nich kann mich sehr schnell heimisch fühlen. Aber für jetzt würde ich schon sagen, das L.A. mein Zuhause ist.

Tom: Aber da geht es nicht um den Ort, sondern um das Gefühl.

Bill: Ich liebe die Freiheit, die wir da haben. Das hat das ganze Album beeinflusst: Wir konnten endlich ein vergleichsweise normales Leben führen. Wir konnten ausgehen, einen Kaffee trinken…wir haben einfach Spaß gehabt, gelebt, uns inspirieren lassen.

Das war bestimmt sehr erfrischend.

Bill: Und wie! So schön. Das erste Mal in Jahren, wo wir einfach uns selbst sein konnten.

War das am Anfang nicht komisch?

Bill: Ja… am Anfang haben wir uns die ganze Zeit richtig paranoid umgedreht. Ich konnte nicht glauben, dass uns niemand folgt.

Tom: Ich werde immer noch schnell paranoid. Ich fühle mich zu Hause viel entspannter als wenn ich zum Beispiel bei Starbucks bin. Ich fühle mich schnell unwohl.

Bill: Tom ist sozial unbeholfen. (alle lachen, auch Tom.)

TOKIO HOTEL INTERVIEW 2015
Bill Kaulitz (Tokio Hotel) – (c) Marc Huth

Wenn Ihr jetzt in Eure Heimatstadt Magdeburg zurückkehrt – wie fühlt Ihr Euch?

Bill: Es ist so komisch. Ich weiß noch: Das erste Mal, als ich zurück bin, hat es sich einfach wie ein komplett anderes Leben angefühlt. Wir haben uns so stark verändert… alles kommt mir da so klein vor. Aber vielleicht hat das auch damit zu tun, dass wir gewachsen sind. Aber es ist auf jeden Fall komisch.

Tom: Aber ich glaube, das geht doch allen so? Jeder, der mal in eine andere Stadt gezogen ist und ein neues Leben angefangen hat, fühlt sich doch bestimmt genau gleich.

Bill: Ich habe einfach keine Verbindung mehr zu der Stadt. Ich hatte sie nie, selbst als ich noch da gelebt habe. Die Leute hatten sehr viel Lokalstolz, haben die Schule bejubelt und so. Das wollte ich nie, ich habe mich gefühlt, als würde ich nicht dazugehören.

Tom: Aber für Gustav und Georg ist das anders, sie leben ja noch da.

Georg: Ja, wir leben beide in Magdeburg.

Wie ist das denn für Euch – Ihr habt euch so stark verändert, so viel erlebt. Und da ist alles noch genau gleich. Ist das nicht manchmal schwierig?

Georg: Etwas… (Tom lacht), aber wir reisen ja so viel. Für mich ist das eigentlich immer wieder eine schöne Erfahrung. Ich kann da entspannen und vom ganzen Stress runterkommen. Ich verbringe Zeit mit meiner Familie, gehe mit dem Hund spazieren. Mir ist dieser Ausgleich sehr wichtig.

Unser Zeitalter wird immer digitaler. Wir seid Ihr, da Ihr euch etwas verstecken wolltet, mit dem Aufstieg von Social Media umgegangen?

Bill: Am Anfang haben wir da gar nicht mitgemacht. Kein Facebook, kein Twitter, nichts. Ich habe eigentlich gehofft, dass es wieder abflacht.

Tom: Ich auch. Ich dachte, es sei nur eine Phase.

Bill: Wir hatten auch wirklich das Bedürfnis, die letzten Teile unserer Privatsphäre zu schützen. Ich konnte auch einfach nicht verstehen, wieso so viele Leute sowas Wichtiges einfach aufgeben wollten! Aber das musste sich irgendwann ändern, heute geht das ja nicht mehr ohne. Also haben wir uns dem Ganzen gestellt und auch die positiven Seiten von Social Media zu schätzen gelernt. Es ist ein sehr direkter Weg, um mit Fans zu kommunizieren, ohne dass Massenmedien etwas verfälschen und das finde ich toll. Ich benutze Instagram sehr gerne, aber auch da habe ich meine Grenzen. Was gewisse Leute posten, ist einfach zu viel. Ich kann es manchmal gar nicht glauben.

Als Tokio Hotel richtig bekannt wurde, gab es diese Plattformen noch gar nicht. Seid ihr froh, dass das so war?

Bill: Als wir angefangen haben, war das alles noch ziemlich neu. Aber zum Beispiel mit Tokio Hotel TV waren wir eine der ersten Bands, die einen täglichen Podcast hatte. Und das hat bestimmt geholfen! Heute ist es aber viel schwieriger. Jeder kann seine Musik oder sein Talent teilen. Es ist zum Beispiel fast unmöglich, heute noch Youtube-Star zu werden.

Tom: Alles ist größer geworden – und das macht es für alle schwieriger. Vor 10 Jahren, als wir in Japan gespielt haben, dachten wir: „Naja, wenn wir hier was vermasseln, wir das in Europa schon niemand merken.“ Wenn das heute passiert, weiß das innerhalb von Sekunden jeder.

Bill: Genau! Wenn ich heute auf der Bühne etwas mache und dann nach der Show backstage auf mein Handy schaue, ist es schon überall. Einfach verrückt.

Tom: Das Ganze hat einfach zwei Seiten, alles ist viel komplexer geworden. Das haben wir auch der Vermarktung von „Kings of Suburbia“ zu berücksichtigen. Meiner Meinung nach existiert Musikfernsehen eigentlich gar nicht mehr. Social Media hat das vollkommen ersetzt. 

Das beeinflusst uns ja nicht nur professionell – sondern auch persönlich. Wie hat das Ganze Euch als Menschen, und nicht als Musiker verändert?

Bill: Ich glaube, ich habe mich gar nicht verändert. Oder? (Er schaut sich um. Die anderen schütteln den Kopf.) Tom ist sehr altmodisch, wenn es um Handys geht. Er schreibt einfach nur SMS und ruft an. Er hat keine Apps, folgt keinen Blogs.

Tom: Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um meinen Instagram Account zu promoten. Ich heiße da „TOMKAULITZ“ und habe noch kein einziges Bild hochgeladen. Mein Ziel ist es, mehr Followers zu haben als der Rest der Band. Wenn ich das schaffe, poste ich vielleicht mal etwas.

Georg: Aber nur ein einziges Bild.

Ihr seid sehr schnell und sehr früh berühmt geworden. Habt Ihr das Gefühl, deswegen etwas verpasst zu haben? Oder gibt es auch Dinge, wo Ihr froh seid, sie nicht erlebt zu haben?

Bill: Wir hatten einfach plötzlich ein ganz anderes Leben. Ich bin eigentlich sehr froh, dass ich nicht mehr in die Schule musste. Ich hasse es, Dinge zu lernen, die mich nicht interessieren. Ich wollte einfach nur weg.

Tom: Ich auch. Früh am Morgen aufstehen, bei Regen in die Schule fahren… ich bin ziemlich froh, das ich das verpasst habe.

Bill: Aber auf der anderen Seite waren wir einfach immer sehr… beschützt. Wir hatten nur eine kleine Gruppe von Leuten, denen wir vertrauen konnten. Und wir mussten sehr früh Verantwortung übernehmen. Ich dachte damals, dass ich alt genug bin, um damit umgehen zu können und wollte alles kontrollieren. Aber im Rückblick war das einfach zu viel. Das würde ich heute bestimmt anders machen. Wir mussten einfach sehr schnell erwachsen werden.

Ihr habt vorhin erwähnt, dass Ihr mit dem Internet sehr behutsam umgeht. Könnte es vielleicht sein, dass ihr das macht, um Euch von diesem Druck zu distanzieren?

Bill: Ein kleines bisschen, ja. Wir müssen uns distanzieren, aber Musiker ist auch ein sehr persönlicher Job. Man stellt seine Geschichte, seinen Weg und sein Werk in die Öffentlichkeit. Es gab damals auch sehr viel Hass.

Tom: Es ist einfach schwer, Leuten zu vertrauen. Damals hat man irgendwas zu irgendwem gesagt, und am nächsten Tag stand es in der Zeitung. Wir sind sehr vorsichtig geworden – jeder Drink, jedes Mädchen… wir haben gelernt, uns zu beschützen. Und das machen wir heute noch.

Auf jeden Fall gab es viel negativen Backlash, manchmal sogar Mobbing. Was würdet Ihr heute zu diesen Leuten sagen?

Bill: Ich habe das eigentlich immer ein bisschen genossen. Es ist besser, wenn Leute eine negative Meinung haben, als überhaupt keine. Wenn ich daran zurückdenke, überlege ich mir manchmal: „Vielleicht hätte ich was anderes anziehen sollen.“ Aber wir haben nie etwas erzwungen oder bewusst provoziert, das kam einfach auf natürliche Weise. Aber insbesondere beim zweiten Album mussten wir uns schon beweisen. Viele glaubten, dass wir nur ein one-hit-wonder sind. Wir mussten vielen zeigen, das wir es ernst meinen, unsere Instrumente auch wirklich beherrschen und es als Band schaffen können. Und ich glaube, das haben wir getan. 

Bill – insbesondere Du hast Dich und Deine Persönlichkeit immer stark ausgedrückt. Heute wird dieses Expressive viel mehr geschätzt – wenn nicht sogar gefeiert – als damals vor 10 Jahren. Ermöglicht Dir das, noch mehr Du selbst zu sein? Und wie geht Ihr als Band mit sowas um?

Bill: Ich habe irgendwie nie richtig dazugehört. Darum habe ich die Schule auch gehasst, ich muss einfach frei sein. Ich hasse es, wenn Leute mir sagen, was ich zu tun habe. Ich würde das selbst nämlich nie tun – ich will, dass jeder “sich selbst” sein kann, egal was ist. Ich würde Georg zum Beispiel niemals vorschreiben, wie er sich zu kleiden hat.

Aber Negatives gibt es doch immer – wie beschützt Ihr euch davor?

Tom: Leute feiern Individualität von Tag zu Tag mehr. Aber wir hatten dieses Problem einfach nie in unserer Gruppe. Wir haben aufeinander aufgepasst, uns beschützt. Bill hat sich mit sehr jungen Jahren schon ausgelebt, wie es weniger in dem Alter tun. Und das brauchte manchmal einfach einen Beschützer. Wir hatten immer uns, und das hat wahnsinnig geholfen. Ich wüsste nicht, wo ich heute ohne ihn wäre.

Bill: Mit der Band fühlte ich mich immer sicher… ich hatte nie Angst.

Tom: Und glaub mir, manchmal war es schon gefährlich. Das Publikum hat teilweise sehr schlecht reagiert, insbesondere, als wir noch jung waren.

Bill: Sie haben uns mit Eiern beworfen!

Tom: Aber es waren immer wir vier, mit einem riesigen Zusammenhalt. Aber natürlich, ohne unsere Fans wäre das ja auch nicht gegangen. Wir brauchten sie.

Der Zusammenhalt, das gegenseitige Beschützen und das kompromisslose Ausleben der eigenen Persönlichkeit – Tokio Hotel wurde zu einem Sinnbild für Leute, die irgendwie nicht reinpassten. Für Außenseiter, für Leute, die sich anders anzogen. Das macht euch bestimmt stolz!

Bill: Das macht mich so unglaublich glücklich. Es ist einfach so schön, wenn man Leute inspirieren kann und es schafft, dass sie mehr “sich selbst” sein wollen. Das berührt mich auch richtig – denn das ist genau das, was ich erreichen will.

Aber trotzdem – man kann nicht alle erreichen. Tut es manchmal weh zu wissen, dass da draußen Leute sind, die Euch unbedingt treffen wollen, aber nie an Euch rankommen werden und Ihr nicht an sie?

Bill: Ich will niemandem das Herz brechen. Und das ist manchmal echt schwer. Leute sehen zu dir auf, bewundern dich vielleicht… aber du kannst sie nie treffen, selbst wenn ich wollte. Das kostet mich extrem viel Energie.

Habt Ihr eine Nachricht für alle da draußen?

Bill: Wir freuen uns unglaublich fest auf die Tour! Alle Leute wieder zu sehen, in kleineren Clubs zu spielen… das wird richtig toll!

Freut Ihr euch, wieder da zu sein?

Bill: Und wie – we are glad to be back! (Die anderen nicken enthusiastisch.)

Autor: Jonas  –  Fotos: Marc Huth
TOKIO HOTEL INTERVIEW 2015

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