Mit einer kompromisslosen Mischung aus Dekonstruktion, Nostalgie und Avantgarde bleibt Lou de Bètoly auch in dieser Saison ihrem unverkennbaren Stil treu. In der Autumn Winter 2025 Kollektion, präsentiert während der Berlin Fashion Week, verwandelte die Designerin die Laufstegfläche in ein surreales Modeexperiment, in dem zarte Sinnlichkeit auf radikale Handwerkskunst traf.
Getrübte Wahrnehmung in Trance
Lou de Bètoly entschied sich für den Spiegelsaal in Clärchens Ballhaus, eine Location, die mit ihrer historischen Pracht und verblassten Opulenz die perfekte Kulisse für ihre Kollektion bot. Die intime Atmosphäre des Saals, geprägt von verzierten Spiegeln, Stuckdecken und Berliner Altbau-Romantik, verstärkte die Nostalgie und den künstlerischen Charakter der Show. Die Models bewegten sich in trancehafter Eleganz durch den Raum, einige mit schwarz glänzenden Visieren, die ihre Augen verbargen und den Blick auf ihre Körper lenkten, während andere mit transparenten Face-Shields eine futuristische Ästhetik verkörperten. Die Musik, eine Mischung aus tiefen Synthesizer-Klängen und melancholischen Streichern, verstärkte die avantgardistische Atmosphäre. Die Kollektion spiegelte diesen Kontrast zwischen Vergangenheit und Zukunft wider. Zarte Rosatöne, Off-Whites und Elfenbeinnuancen trafen auf dunkle Spitze, tiefe Brauntöne und vergilbtes Gold, während die Materialien bewusst unorthodox gewählt wurden. Handgehäkelte Elemente verschmolzen mit Leder, opulente Stofflagen überlagerten fragile Transparenzen. Ein Look erinnerte an viktorianische Romantik, ein anderer mit metallischen Details und rauen Texturen an eine dystopische Zukunft.
Handwerkskunst zwischen Transparenz, Struktur und Dekonstruktion
Lou de Bètoly bleibt ihrer Handschrift treu: detailverliebte, handgefertigte Designs, die sich den gängigen Modekonventionen entziehen. Ihre neue Kollektion bewegte sich zwischen der Zerbrechlichkeit von Spitzenstoffen und der Stärke skulpturaler Strukturen, die durch Drapierungen, Applikationen und Materialexperimente entstanden. Besonders prägnant waren transparente Mesh-Stoffe, die den Körper scheinbar entblößten, aber durch aufgesetzte Textilfragmente und plastische Stickereien verfremdet wurden. Ein Look zeigte ein komplett durchsichtiges, pastellfarbenes Kleid, bestickt mit aufgenähten Stofffetzen und gehäkelten Elementen, kombiniert mit einem fluffigen rosafarbenen Cardigan – ein Spiel zwischen Weichheit und Provokation.
Ein weiteres Highlight der Lou de Bètoly Autumn Winter 2025 Show war ein weißes, drapiertes Oberteil, das in der Mitte des Torsos skulptural zusammengezogen wurde – fast so, als würde der Stoff den Körper modellieren. Dunkelromantische Elemente zogen sich durch die gesamte Kollektion. Ein mit Spitze besetztes schwarzes Abendkleid mit Cut-outs verband Vintage-Gotik mit moderner Schärfe, während Strapse und Bondage-inspirierte Details subtil in transparente Stoffe eingearbeitet wurden. Doch Lou de Bètoly bleibt nicht bei reiner Dekonstruktion – sie bringt Handwerkskunst und Struktur in Einklang. Viktorianisch inspirierte Korsett-Techniken tauchten ebenso auf wie kollagierte Applikationen aus recycelten Materialien. Ein Mini-Kleid aus geschichteten Textilresten und Seidenfransen wirkte bewusst unvollkommen und dennoch perfekt. Besonders eindrucksvoll war ein Look, der an ein kaum vorhandenes, über den Körper drapiertes Spitzennetz erinnerte – als wäre das Kleid nur noch eine verblassende Erinnerung an ein vergangenes Modezeitalter.
Lou de Bètoly bleibt mit ihrer Autumn/Winter 2025 Kollektion eine der kompromisslosesten Stimmen der Berliner Modeszene. Ihre Show war eine Hommage an die Schönheit des Unfertigen und an die Poesie der Textur.
Autorin: Aaliyah Netnakhon – Fotos: KOWA-Berlin[
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