Mit The Shell präsentiert Lueder eine Autumn Winter 2025 Kollektion auf der Berlin Fashion Week, die Schutz und Transformation vereint. Gezeigt im Rahmen von Intervention by Reference Studios, wirken die Looks wie eine moderne Interpretation von Schutzkleidung – halb urbaner Nomade, halb mystisches Wesen. Kapuzen, voluminöse Kragen und asymmetrische Drapierungen erschaffen Silhouetten, die nicht nur als äußere Hülle verstanden wird, sondern als ein Medium der Anpassung und Metamorphose dient.
Folkloristische Fabelwesen: Trolle
Die Kollektion spielt mit Kontrasten zwischen organischer Unvollkommenheit und präziser Schnittführung. Während technoide Stoffe an funktionale Sportswear erinnern, wirken andere Elemente bewusst unfertig, als wären sie über Zeit und Witterung geformt worden. Modelle mit glänzenden Nylon-Texturen stehen neben roh verarbeiteten, geschichteten Stoffen, die teils an Nomadenkleidung erinnern. Dunkle Blautöne, Graunuancen und erdige Schattierungen prägen die Farbpalette, durchbrochen von vereinzelten, satten Akzenten. Die Inspiration aus folkloristischen Fabelwesen zeigt sich besonders in den Kapuzen und drapierten Schals, die an Trolle und Wesen aus nordischen Mythen erinnern. Verstärkt wird diese Ästhetik durch bewusst groteske Details: Die überlangen, wild geformten Nägel der Models wirken wie gewachsen und unterstreichen das raue, ungezähmte Erscheinungsbild der Kollektion. Auch das Schuhwerk folgt diesem Konzept – ein besonders markantes Paar Schuhe mit nach oben gebogenen, hufartigen Spitzen erzeugte die Illusion einer Fabelgestalt und verstärkte den Eindruck einer Verschmelzung von Mensch und Mythos. Ein Highlight war ein Ensemble mit strukturierter, fast rüstungsähnlicher Jacke, die mit einem aufgesetzten Kragen fast wie ein Schutzschild wirkte. Ein weiteres Keypiece war ein asymmetrischer Hoodie mit verlängerten Ärmeln, der den Körper in eine skulpturale Form brachte.
„Men are so back“
Neben den voluminösen, mehrschichtigen Looks überraschten schlichte Tanktops mit provokanten Prints. Der Schriftzug Men are so back auf einem weißen Muskelshirt brachte ein popkulturelles Element in die Kollektion, das in Kontrast zu den dystopisch anmutenden Kapuzen- und Schutzlooks stand. Diese Mischung aus funktionaler Ästhetik und spielerischer Referenz zieht sich durch die gesamte Kollektion – von aufgesetzten Cargo-Details über Schichten aus Leder bis hin zu textilen Collagen, die scheinbar zufällig zusammengesetzt wurden.
Das Styling verstärkte so die Idee einer metamorphischen Transformation. Der Laufsteg selbst, gesäumt von schimmernden Samtvorhängen und beleuchtet von Kronleuchtern, kreierte eine Szenerie zwischen industrieller Zukunftsvision und ritueller Zeremonie. In Kombination mit einer tiefen, elektronisch angehauchten Soundkulisse entstand eine Inszenierung, die das Konzept von Verwandlung, Schutz und Anpassung auf mehreren Ebenen erfahrbar machte. Lueder bleibt sich mit dieser Kollektion treu und lädt in eine Welt ein, in der Kleidung nicht nur den Körper formt, sondern Identität als fließendes, sich stetig wandelndes Konzept begreift.
Autorin: Aaliyah Netnakhon – Fotos: KOWA-Berlin
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