Patrick Mohr im Portrait

Er lässt Münder wegretuschieren, Frauen Schnurrbärte ankleben und schickt Obdachlose anstelle von professionellen Models über den Laufsteg. Patrick Mohr provoziert wie kein anderer Deutscher Designer und schafft dennoch eine Balance zwischen Kommerz und der Kreativität seiner ausgefallenen Entwürfe. Seine Kollektionen sind neben Europa vor allem in den USA sehr gefragt. Mit Jeans-Entwürfen und sogenannten Big T Oversize-T-Shirts machte er sich einen Namen. Laut eigener Aussage kreiert er Sophisticated-Sportswear, die raffinierte Schnitte, grafische Prints und hochwertige Materialien mit klaren Streetwear-Elementen kombiniert. Branchenüblicher Glamour und Sexiness spielen für ihn keine Rolle. Sein Markenzeichen ist eines der bekanntesten Symbole in der Geometrie: das Dreieck.

Patrick Mohr wurde 1980 in Mainz geboren und entschied sich 2003 nach einer Schreinerlehre und Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann Modedesign an der ESMOD in München zu studieren. Seine ersten Erfahrungen in der Modewelt sammelte er bereits von 2000-2003, als er in Mailand und Paris als Model arbeitete. 2007 schloss er sein Studium an der ESMOD als Jahrgangsbester ab und gewann den Prix Createur für die beste Kollektion. Anschließend assistierte er dem dänischen Designer Henrik Vibskov in Kopenhagen. Das Modelabel patrick mohr gründete er 2008 und präsentierte ein Jahr später seine erste Kollektion auf der Fashion Week in Berlin. Seitdem stellt der 33-Jährige Wahlberliner das Schönheitsempfinden seiner Zuschauer immer wieder gern auf die Probe.

Patrick Mohrs Ästhetik unterscheidet sich stark von dem der Masse und das ist auch gut so. Zum Beispiel wählte er für seine erste Modenschau im Sommer 2009 keine klassischen Models aus, sondern ließ seine Kreationen von 25 Obdachlosen präsentieren. Er arbeitete vorwiegend mit ausgefranstem Leinenstoff und asymmetrischen weiten Schnitten, um die Optik eines Lumpensammlers zu imitieren. Sogar Modekritikerin Suzy Menkes lobte die raue Energie seiner Kollektion. Am Ende der Show schenkte Mohr seinen Ausnahmemodels Kleidung und Schuhe und spendete für das Berliner Obdachlosenmagazin Straßenfeger. Ausschlaggebend für diese Zusammenarbeit war Mohrs eigene Vergangenheit in der er schon mit Schicksalsschlägen zu kämpfen hatte und seine Kritik an der ignoranten Haltung der Modewelt gegenüber dem Thema Armut, wie er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung verriet. Mohr will mit seinen Kollektionen die Menschen zum Nachdenken anregen und das gelingt ihm jedes Mal aufs Neue.

Neben ausgefallenen Models spielt Androgynität eine wichtige Rolle in Patrick Mohrs Kollektionen. Für ihn sind Männer und Frauen gleich. Aus diesem Grund karrte er im Frühjahr 2010 männliche und weibliche Bodybuilder mit Hilfe von Sackkarren auf den Laufsteg und klebte ihnen Zuckerstücke vor den Mund, um Hasenzähne nachzuahmen. Ein Unterschied zwischen den Geschlechtern war nicht mehr festzustellen. Die Idee zu dieser Inszenierung kam ihm, als er einem Zwitter in der Sauna begegnete. Die Gesichter der solariumgebräunten, leicht bekleideten Models waren als Dreiecke geschminkt und sie trugen zum Teil Umhänge in strengen geometrischen Formen, die aus technoiden Stoffen gefertigt wurden. Mohr erhielt diese von Firmen, die Materialien für den Drachenbau entwickeln. Mit klassischen Stoffen wie Samt und Seide kann er nichts anfangen.

Mittlerweile sind Patrick Mohrs Präsentationen etwas ruhiger geworden und die Marke wirkt erwachsener. Human hieß seine Spring/Summer Kollektion 2014. Dabei setzte er sich mit dem Thema Menschlichkeit auseinander. Mohr will keine Unterschiede in der Gesellschaft machen. Deshalb holte er sich Menschen abseits des Mainstreams auf den Laufsteg. So zum Beispiel den Schauspieler Bobby Brederlow, der mit dem Down-Syndrom geboren wurde oder auch Stabhochspringer(-in) Balian Buschbaum, der vor seiner Geschlechtsumwandlung noch Yvonne Buschbaum hieß. Gezeigt wurden unter anderem kunstvoll geschnittene Kleider, die Avantgarde und Luxus mit Streetwear kombinierten. Selbst leichte Ansätze von Couture waren zu erkennen: Ein schwarzer Jumpsuit, der mit einem Cutout auf der Höhe des Bauchnabels versehen war, an dem sich drei Reißverschlüsse trafen, galt in Kombination mit seiner meterlangen Schleppe als die Kreation mit dem größten Wow-Effekt. Natürlich durften auch dieses Mal Dreiecke nicht fehlen. Sie fanden sich auf den Gesichtern der Models und auf deren Kleidern wieder.

Wer es tragbarer mag, der greift bei Mohrs Kollektionen zu Jeans und Oversize-T-Shirts mit hohem Wiedererkennungswert. Denn eine Patrick-Mohr Jeans erkennt man an der Form ihrer Taschen. Sie bestehen aus einem Viereck, in dem sich ein umgekehrtes Dreieck befindet. Wen wundert’s?

Aktuell kooperierte Patrick Mohr mit dem Sportartikelhersteller Reebok und gab dem Kult-Schuh Freestyle Hi ein neues Design. Das Trendmodell der 80er Jahre Aerobic-Ära wurde mit Nieten und zackigen Klammern versehen sowie aus exotischem Straußen- und Lachsleder gefertigt. Der Relaunch der Sportschuh-Ikone findet im Juli 2014 im Rahmen der Berliner Fashion Week statt. Die exklusiven Modelle Freestyle Hi und Ex-O-Fit Hi sind bei Solebox in Berlin ab dem 9. Juli und ab August über Reebok.de zu haben.

Autor: Jenny  Kolossa —  Foto: Joachim Baldauf

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