Mit ihrer Spring/Summer 2026 Kollektion VENEER präsentierte Vanessa Baernthol am Montagabend im Schlachter 151 in Berlin-Charlottenburg eine immersive Performance, die weit mehr war als eine klassische Modenschau. Inmitten des rohen Galerieraums bewegten sich die Models nicht über einen Laufsteg, sondern waren Teil eines durchkomponierten Spiels aus Stille, Stimme und Bewegung.
Mode als architektonischen Raum
Baernthol, die für ihren konzeptuellen Ansatz und ihre Affinität zur Architektur bekannt ist, verwebt in VENEER textile Skulpturen mit klaren Strukturen und bewusst gesetzten Brüchen. Ihr Zugang zu Mode gleicht dem eines architektonischen Entwurfs: präzise, strukturiert, aber nie statisch. So entstanden Looks, die sich zwischen Härte und Fluidität bewegen. Ein silber-grauer Kapuzenlook aus Seide, getragen zu durchscheinenden Strumpfhosen, in der einen Ecke des Raums, der Stoff weich und schimmernd, der Blick der Trägerin starr, fast tranceartig. Andere Entwürfe wie ein tiefschwarzes, ballonartig aufgeblähtes Kleid mit Korsettstruktur wirkten fast skulptural und setzten klare Kontrapunkte.
Textile Spannung und performative Präsenz
Die Performances folgten keinem klassischen Ablauf, sondern waren durchsetzt von Momenten der Bewegungslosigkeit, unterbrochen durch gezielte Aktionen, Stimme und Blickkontakte. Die Kollektion changierte zwischen fließenden Silhouetten, halb transparenten Schichten, geripptem Strick und technischer Präzision. Besonders auffällig war der gezielt eingesetzte Kontrast zwischen Weichheit und Kontrolle, sichtbar etwa in den versetzten Nähten, asymmetrischen Schnitten und bewusst gesetzten Unterbrechungen in den Texturen.
Ohaguro als kulturelle Referenz
Ein visuelles Statement setzte zudem das Zahn-Make-up der Models, das mit geschwärzten Zähnen an eine japanische Praxis namens ohaguro erinnert: ein historisches Schönheitsideal, das Wohlstand, Reife und Status symbolisierte. Auch hier greift Baernthol eine kulturelle Referenz auf und transformiert sie in einen zeitgenössischen Kontext. Die Farbpalette blieb streng: Weiß, Schwarz, verwaschene Grüntöne und metallisches Grau dominierten. Die Kleidung war, wie die Inszenierung selbst, nie laut, aber intensiv. VENEER zeigte eine Designerin, die Mode als architektonischen Raum begreift, der bespielt, durchdrungen und transformiert werden will.
Autorin: Aaliyah Netnakhon – Fotos: KOWA-Berlin
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