Designerin Esther Hofmann

Designerin Esther Hofmann: “Ich bin in der Modewelt angekommen”

Ihre Bewegungen sind elegant, grazil und anmutig. Mit geschlossenen Augen, völlig in sich gekehrt, läuft Liv durch den Madison Square Park. Ihre nackten Füße ertasten das weiche, grüne Gras, in ihren Händen hält sie die schwarzen High Heels. Ihr Kleid weht im leichten Frühlingswind. Für ein paar Minuten verließ sie die Charity-Veranstaltung, um für sich zu sein. In Gedanken spielt das Lied des berühmten, russischen Balletts „Schwanensee“. Sie ist das Schwanenmädchen. Liv ist in ihrer Welt. Alles um sie herum, alle Sorgen und Probleme des Alltags sind vergessen, die Zeit scheint still zu stehen.

Esther Hofmann aus Herne studiert im siebten Semester Modedesign am Fashion Design Institut in Düsseldorf. FashionStreet Berlin hat die 25-Jährige zuhause besucht. Am 30. Juni 2016 präsentiert sie ihre Kollektion, bestehend aus acht Outfits, auf der Fashion Week Berlin. Der Moment, auf den die  Designstudentin dreieinhalb Jahre hingearbeitet hat, steht kurz bevor.

Ihre Wohnung in zentraler Lage ist pure Kreativität auf 26 Quadratmetern. Zeichnungen, Skizzen, Stoffproben und Bilder von Fotoshootings hängen an den Wänden. Modezeitschriften, Bücher über Designer, das Nähen und die Fashionwelt stapeln sich in einem deckenhohen Regal. Drei Schneiderpuppen und eine vertikale Dampfbügelstation finden in der Ein-Zimmer-Wohnung auch noch Platz. Eine Kleiderstange dient als Garderobe, voll behängt mit farbenfrohen Kleiderstücken. Die andere Stange zeigt ihre Abschlussarbeit -acht traumhafte Couture-Kleider aus Chiffon, Tüll und Seide.

Autor: Valentina Rost – Fotos: Katarina Hildebrandt

Designerin Esther Hofmann, im Interview:

Esther, monatelang hast du jetzt an diesen umwerfenden Kleidern gearbeitet. Kannst du sie überhaupt noch sehen?
(lacht) Es gab wirklich eine Zeit, da hingen mir die Kleider zum Hals raus. Ich hatte teilweise nur drei Stunden Schlaf, weil ich die Nächte durchgearbeitet habe. Mittlerweile, jetzt wo die ganze Feinarbeit und Verarbeitungen geschafft sind und ich mir Gedanken über das Fotoshooting und den Videoclip machen kann, schaue ich mir meine Kollektion wieder gerne an und bin sogar ein bisschen stolz auf mich.

Stolz zu sein ist das Mindeste! Die Institutsleitung,Inna Thomas, sieht in dir viel Potenzial. Bei jeder Zwischenpräsentation hat sie deine Ideen und Fortschritte gelobt.
Vor jedem Vorzeigen ist man total nervös und aufgeregt, weil man nicht weiß, wie das Design bei den Dozenten ankommt. Aber wenn man sich Mühe gibt und mit ganzen Herzen dahinter steht, kann eigentlich nichts schiefgehen. Klar habe auch ich Kritik bekommen, aber in dem Modedesign-Studium muss man lernen mit Kritik umzugehen und diese auch umzusetzen.

Letztes Jahr warst du für dein Pratikumssemester in New York bei dem hochpreisigen Couture-Label Marchesa. Was waren deine Aufgaben dort?
Es ist nicht selbstverständlich, in einem so namenhaften Modehaus als Praktikantin selbst Hand anzulegen. Aber ich hatte Glück und konnte in mehrere Bereiche reinschnuppern und tatkräftig mithelfen.
Die meiste Zeit meines Praktikums galt der Vorbereitung der Modenschau. Eine meiner Aufgaben bestand darin, verschiedene Farben zu entwickeln, meterlange Stoffe zu färben, Blätterformen aus den Stoffen zu schneiden und diese in einem perfekten Farbfluss mit einer Sicherheitsnadel an dem Basiskleid zu platzieren. Es war eine anstrengende Geduldsarbeit, aber das Ergebnis war überwältigend. Die Modenschau war ein voller Erfolg. Und ich war ein Teil davon. Ich war so überglücklich, die Kleider, an denen ich gearbeitet habe, auf dem Laufsteg in New York zu sehen. Es war wie im Traum. Ich weiß noch genau, dass ich vor Freude weinen musste.

Was ist das Wichtigste, was du für dich aus dieser Praktikumszeit mitgenommen hast?
Zum einen habe ich auf jeden Fall gelernt geduldig zu sein und mit Perfektion zu arbeiten.
Zum anderen habe ich mich von New York für meine Abschlusskollektion inspirieren lassen.
Ich war so fasziniert von den vielen unterschiedlichen Menschen und Kulturen. Ob klein, groß, dick, dünn, schwarz, weiß, Christ oder Muslim, hetero- oder homosexuell, jeder einzelne konnte sich einfach so geben und so sein, wie er wollte. Die Menschen hätten unterschiedlicher nicht sein können und trotzdem ergeben alle zusammen eine besondere Gemeinschaft, die New York so großartig macht.

Willst du dieses Gefühl der Gemeinschaft und Verbundenheit mit deiner Kollektion zum Ausdruck bringen?
Ich möchte eher den Prozess des „Ankommens“ vermitteln. In Amerika schienen alle auf die eine oder andere Art und Weise angekommen zu sein und es schien so, als seien sie mit sich im Reinen und wüssten, wie ihr Leben verlaufen sollte. Mit diesem Zustand habe ich mich befasst und habe mich vor allem auch mit der dazugehörigen Gefühlswelt beschäftigt -sei es auf persönlicher oder professioneller Ebene.
Ich möchte eine Geschichte darum erzählen. Vor Augen habe ich eine zierliche Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht. Ihr Name ist Liv. Sie hat früh angefangen Ballett zu tanzen, aber ihr Alltag als Autorin und Kuratorin ermöglicht es ihr nicht, ihrer Leidenschaft so ohne Weiteres nachzugehen. Wenn ihr mal alles zu viel wird, geht sie in den Battery Park, Downtown Manhatten, und tanzt sich alle Last von den Schultern.

Gibt es einen Grund, warum du dich für Ballett entschieden hast?
Ich finde Ballett ist ein faszinierender Hochleistungssport. Ich selbst habe als Kind Ballett getanzt, habe aber leider damit aufgehört, was ich heute sehr bereue.
Es ist mit viel Disziplin und Kraft verbunden und gleichzeitig wirkt es so verträumt und ausdrucksstark.
Genau das sind Begriffe, mit denen ich gerne meine Mode beschreibe. Meine Designs verkörpern Stärke, Selbstbewusstsein und Lebenswille, aber auch Sensibilität und Verletzlichkeit.

Was ist das Besondere an deiner Abschlusskollektion, die am 30. Juni auf der Panorama-Messe in Berlin zu sehen ist?
Ich entwerfe nicht nur Trends, sondern ein Lebensgefühl. Ich lege viel Wert auf eine perfekte Schnittführung, auf hochwertige Stoffe und auf feine Handarbeit. Bei dieser Arbeit habe ich zum Beispiel alle meine Stoffe selbst gefärbt, so wie es mir in New York bei meinem Praktikum beigebracht wurde, und auch die Stoffmanipulationen habe ich selbst entwickelt.
Meine Kollektion besteht aus sechs Kleidern, einem Body und einem Jumpsuit. Als Stoffe habe ich Chiffon, Seide und Tüll gewählt, alle in zarten Pastell-Tönen gehalten. Im Brustbereich, an den Schultern, am Rücken und im Bereich der Hüfte habe ich meine eigene Technik angewendet, indem ich zahlreiche, filigrane Stoffapplikationen einzeln angenäht habe.
Wenn ich diese acht Outfits anschaue, sehe ich meine Persönlichkeit in jedem einzelnen Teil widergespiegelt. Die Kollektion verkörpert mich selbst, meine Charaktereigenschaften und auch die Gefühlswelten, die ich durchlebe.
Meine Abschlussarbeit ist mein persönlicher Prozess des Ankommens. Ich bin in der Modewelt angekommen und es fühlt sich verdammt gut an.

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