Nachdem der bekannte ukrainische Modedesigner Jean Gritsfeldt nach dem Kriegsausbruch im Jahr 2022 nicht selbst auf der Berlin Fashion Week anwesend sein, sondern nur per Videoübertragung teilnehmen konnte, freuen wir uns, dass er dieses Jahr seine Jean Gritsfeldt Herbst Winter 2023 Kollektion BORN IN KYIV. SCULPTOR OF LOVE persönlich in Berlin präsentieren durfte. Bei dem Chaos, der in der Ukraine herrscht, ist die Message, die er mit seiner Mode und auf der Show zum Ausdruck brachte, sowie, dass er am Ende seinen eigenen Auftritt genoss, umso bewegender.
Die Modenschau des jungen, sehr beliebten Designers wurde ins Alte Kraftwerk in Ober-Schöneweide Berlin umverlegt und zog beeindruckend viele Gäste an. In dieser versteckten Location entdeckte man unter anderem bekannte Gesichter wie beispielsweise Esther Perbandt, Lucas Meyer-Leclère oder Christiane Arp. Sie alle saßen am Runway, der zu einer Tür führte, die man aus einem Vorraum sehen konnte. So gab es zwei Räume, die mit Zuschauern gefüllt waren. Umso lauter war es zu Beginn. Das Getümmel kam aber ruckartig zur Ruhe als aus den Lautsprechern mehrmals „Eins, zwei, Polizei, …“ ertönte. Das war der Impuls dafür, dass eine aufregende Show folgt.
BORN IN KYIV. SCULPTOR OF LOVE
Die Kollektion besteht zunächst aus raffinierter, aber auch alltagstauglicher Mode, welche von Nadelstreifen, geradegeschnittenen Hosen, Westen und Anzügen, sowie vor allem von Schwarz geprägt ist. Darunter befinden sich Textilien wie Cord, Leinen, Wolle, Faux Fur, und Chiffon bis hin zur Seide, wobei Gritsfeldt biobasierte, recycelte Fasern, meist auch aus recycelten PET-Flaschen verwendet. Die ernsten, schicken Looks auf dem Laufsteg wurden durch die Sneaker wie Converse Chucks aufgelockert und hatten etwas Jugendliches an sich. Darauf folgten immer mal wieder Farbakzente wie ein lila-blauer Strickpullover oder ein partytaugliches Pailletentop in königsblau. Wir sahen ein weißes Outfit mit farbigem Print, ein Set aus Hose, Croptop und Maxicardigan in magenta und dann wieder einen strengen Nadelstreifenanzug. Bis plötzlich Pailletten auf den Jackets und Blazern schimmerten und ein Model im Maxikleid einen Teil ihres Rockes hochhebt und einen ukrainischen Schriftzug präsentiert. Die Kollektion verwandelt sich. Metallisches Silber dominiert nun den Laufsteg. Ein silberner Look nach dem anderen, ob Mantel, Kleid, Jacke und Hose – alles schimmert in hellem silber.
Die mutige Wendung
Doch dann trat eine plötzliche Wendung ein. Ein metallisch-roter Mantel taucht auf und die nächsten Models tragen schwarz mit viel rot. Es sind noch immer gerade ernste Silhouetten, doch elektrisierende Farben, die die Blazer, Hemden und Anzugshosen wie Partylooks erscheinen lassen. Ein Look blieb den Zuschauern wahrscheinlich besonders in Erinnerung. Ein Model trägt einen roten Tanga mit einem Plüschherz vorne dran. Sein Körper trägt rote Schriftzüge auf ukrainisch und englisch. Immer wieder bekommt man die Power-Statements zu lesen, dass wir alle zusammenhalten, dass Schönheit nicht zu entbehren sein muss und noch mehr über den Frieden und die Liebe. Ein großer Hingucker waren zuletzt auch weiße Outfits mit waagerechten Schlitzen aus denen dunkelrote Fransen heraushingen, die wie Schnittwunden aussahen – und weiße Stoffe mit großen blutroten Flecken. BORN IN KYIV. SCULPTOR OF LOVE ist mutig und elegant, individuell und elektrisierend. Und vor allem steht sie für Zusammenhalt und Hoffnung.
Das Highlight der Show war als der Star des Abends Jean Gritsfeldt selbst den Laufsteg betrat und seinen Glitzermantel auszog, um uns den Schriftzug „Beauty is not a reason to deprive“ auf seinem Oberkörper zu offenbaren. Applaus erschall aus alles Richtungen und es war ein absoluter Gänsehautmoment nach alldem, was die letzten Monate geschehen ist.
Autorin: Aaliyah Netnakhon – Fotos: Lina Grün
Jean Gritsfeldt Herbst Winter 2023 – Runway Fotos
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.