Marco Scaiano - Interview

Marco Scaiano im Interview – Über Nachhaltigkeit, Stylingfehler und die Zukunft der Mode

Zu Gast bei Modedesigner Marco Scaiano sprach Fashionstreet-Berlin mit ihm über die Berliner Fashion Week und die Zukunft der Modeszene. Warum es wichtig ist in Jungdesigner zu “investieren” und woher er seine Inspirationen nimmt. Dass der Weg in die Selbstständigkeit mit seinem gleichnamigen Label kein gerader Pfad war und was er jungen kreativen Köpfen mit auf ihren Weg gibt, verrät er im Gespräch.

Modedesigner Marco Scaiano im Interview – “Früher dachte ich, entweder man ist Modedesigner oder man ist es nicht!”

FSB: Wie war die Fashion Week SS20 in Berlin für dich und wie war dein Shop-Event?

Marco Scaiano: Es war aufregend, weil ich das erste Mal richtig etwas gemacht habe. Ich war letztes Jahr bei der Wiener Fashion Week und hatte da einen Concept Store. Und jetzt war es super spannend und aufregend zu sehen wer alles kommt. Und es war unheimlich gut fürs Networking.

FSB: “Berliner Fashion Week” als Thema wird natürlich auch immer diskutiert, wie stehst du zur Modewoche in der deutschen Hauptstadt?

Marco Scaiano: Also für mich macht die Berliner Fashion Week in dem Sinne keinen Sinn, als dass ich jetzt großartig verkaufe oder Einkäufer kommen, die direkt die Kollektion kaufen. Dafür ist Berlin glaube ich nicht die richtige Stadt. Aber ich finde das Event sehr gut fürs Networking. Neue Kontakte zu knüpfen usw. das ist immer gut.

FSB: Du sprichst das “Networking”-Thema an. Meinst du, die Berliner Fashion Week braucht mehr Events, die kreative Menschen zusammen führen, anstatt Shows?

Marco Scaiano: Ohne Shows ist es natürlich keine richtige Fashion Week mehr. Obwohl ich es sehr schade finde, dass immer die gleichen Designer zeigen. Ich fände es viel cooler, wenn mehr für Jungdesigner gemacht wird. Einfach um etwas frischen Wind reinzubringen.

FSB: Wie war denn dein Weg in die Mode? Was hast du studiert und war für dich immer klar, dass du irgendwann deine eigene Mode entwirfst?

Marco Scaiano: Angefangen hat es so ca. mit 15/16 Jahren. Da habe ich jemanden kennen gelernt, als ich im Einzelhandel meine Ausbildung gemacht habe. Sie hat Modedesign studiert und von da an war mir klar, dass man das studieren kann. Früher dachte ich, entweder man ist Modedesigner oder man ist es nicht. Und von dem Zeitpunkt an war es dann klar. Ich hab früh schon ganz viel immer genäht, Karnevalkostüme usw. Mein Weg war nie gerade, sondern immer sehr kurvig und viele Umwege, die sich aber gelohnt haben. Und dann bin ich nach Düsseldorf gezogen und habe “Designingenieur” studiert, mit Fachrichtung Mode. Habe als Stylist gearbeitet und bin dann durch mein Praktikum bei Esther Perbandt nach Berlin gekommen. Habe mich in die Stadt und in einen Mann verliebt und bin hier geblieben. Und 2016 habe ich mich dann selbständig gemacht, erst nebenbei und dann ganz. Und ich bin wirklich zufrieden. Klar gibt es immer mal härtere Zeiten, aber es gibt auch so viele gute Zeiten.

FSB: Wofür steht deine Marke?

Marco Scaiano: Also was ich für mich selbst immer an Mode geschätzt habe ist, dass es in einer Weise nachhaltig sein sollte. Es muss zeitlos sein und eine hohe Qualität haben. Zum Beispiel habe ich Teile, die ich 2014 genäht habe, die trage ich immer noch. Vielleicht färbe ich mal was nach, aber das Design stimmt und die Nähte sind ebenfalls noch gut. Und genau das setze ich im Label um.

FSB: Nachhaltige Labels sind natürlich auch oft teurer. Hast du einen Tipp, wie man auch ohne viel Geld auszugeben nachhaltig konsumieren kann?

Marco Scaiano: Ich glaube wenn man anfängt den Fast Fashion Konsum zu reduzieren und einfach zweimal im Jahr sich von für aus mit Basics dort eindeckt und sonst einfach in Kleidung mit höherer Qualität investiert, die länger hält, dann macht das auf jeden Fall Sinn. Und das können auch Studenten und alle, die weniger Geld zur Verfügung haben.

FSB: Deine Kollektionsteile sind alle “made in Berlin”. Findest du das sollte wieder viel mehr Standart deutscher Designer werden, dass innerhalb Deutschland produziert wird?

Marco Scaiano: Generell finde ich ja. Aber ich merke natürlich auch, dass es gar nicht so einfach ist. Das Handwerk stirbt in Deutschland ein wenig aus und es gibt nicht mehr viele Schneidereien bzw. Werkstädten. In Paris zum Beispiel gibt es noch so viele Werkstädten, die produzieren. Das wäre natürlich super auch in Deutschland. Vielleicht entsteht das nochmal.

FSB: Zu deiner aktuellen Kollektion “Dont ask – Dont tell”. Was hat es damit auf sich?

Marco Scaiano: Vor jeder Kollektion gehe ich natürlich immer auf Themenrecherche. Ich wollte eigentlich etwas, das auf mich bezogen ist, in der Kollektion zeigen. Habe mit meinem Namen gebastelt, der übrigens “Krieger vom Mars” bedeutet. Dann ging das so: Mars- Krieger-Kriegsgott- und dann war ich bei Military. Super lange Recherche. (lacht) Ich selber bin homosexuell bin und es ist mir wichtig, dass für unsere Rechte immer noch gekämpft wird. Das war ebenfalls Teil meiner Recherche. Und bin bei den Nachforschungen auf eine Policy gestoßen, dass homosexuelle Soldaten in USA nicht über ihre Sexualität sprechen dürfen. Und das noch 2010! Das hat mich total geschockt. Das sind die Themen dann geworden, die ich in meiner Kollektion aufgegriffen habe.

FSB: Große Fashionables wie Chanel, Gucci und Co. bringen meistens vier Kollektionen im Jahr raus. Zudem kommen noch Kooperationen und die Couture Shows. Das ist alles andere als nachhaltig. Was ist dein Gedanke dazu, wo diese Marken doch eigentlich Fashion-Vorbilder sein sollten?

Marco Scaiano: Es ist natürlich alles abhängig von dem Label über das man spricht. Also ich denke zwei Kollektionen im Jahr sind gerechtfertigt. Alles was darüber hinaus geht finde ich etwas übertrieben. Ich versuche zum Beispiel sehr vieles nachhaltig zu gestalten. Das fängt beim Material an. Und bei der Produktion zum Beispiel, dass wir nicht zu viel produzieren und wenig Müll entsteht. Ich glaube, dass sich der Grundgedanke von den Menschen ändern muss, die konsumieren.

FSB: Wo lässt du dich denn für Farben, Schnitte usw. inspirieren?

Marco Scaiano: Auf die Kollektion bezogen natürlich beim Militär. Wir haben zum Beispiel den Trenchcoat. Überall finden sich kleine Aspekte, die sich zurück verfolgen lassen. Wir haben den “destroyed” Look einfließen lassen. Der Kimono zum Beispiel aus dem asiatischen Raum, wird aber auch als Kriegsuniform genutzt. Ich hab eigentlich immer ein Buch bei mir, in das ich Dinge schreibe, die mir einfallen. Manchmal auch Sachen, die ich schon mal gemacht habe, wie ich sie anderes oder noch besser machen kann.

FSB: Was sind drei Kleidungsteile ohne die du nicht leben kannst?

Marco Scaiano: Auf jeden Fall meine Doc Martens. Und dann wird’s schwierig. Dann wahrscheinlich ein oversized Hemd, was ich auch fast täglich trage. Und mein Fanny Belt, da passt einfach alles dran: Handy, Schlüssel und Portemonnaie.

FSB: Was ist der schlimmste Styling-Fehler, den man begehen kann? Und welcher war dein persönlicher Fehltritt?

Marco Scaiano: Ich hab natürlich in meinem Leben noch nie Styling-Fehler gemacht. (lacht) Ach ich finde alles geht, solange man sich wohl fühlt. Was ich persönlich immer etwas unästhetisch finde, sind Frauen die Leggings als Hosen tragen, schon in den 80ern.

FSB: Hast du ein großes Fashion Vorbild?

Marco Scaiano: Ich glaube ich habe drei Vorbilder. Zum einen Damir Doma. Und dann ist da Rick Owens. Und auch Karl Lagerfeld- ganz andere Richtung, aber er hat einfach ein Wunderwerk vollbracht in der Mode.

FSB: Wenn du einen Wunsch für die gesamte Modeindustrie hättest, was wäre das?

Marco Scaiano: Ich glaube mehr Offenheit und mehr Kooperation und Networking. Nicht mehr so starrsinnig zu sein. Ich finde das total schade in der Modewelt gerade- da muss was passieren.

FSB: Hast du einen Tipp oder Rat für Modedesigner oder Modestudenten, die jetzt noch ganz am Anfang stehen?

Marco Scaiano: Oh, ich weiß gar nicht ob ich da der richtige Ansprechpartner bin (lacht). Also ich glaube am sinnvollsten ist, gerade wenn man sich selbstständig machen will mit einer Brand, was natürlich sehr schwierig ist: Hart arbeiten! Ich glaube ich habe vier bis fünf Jahre durchgehend sieben Tage die Woche gearbeitet und alles gemacht was ging. Und an das Ziel glauben, auch wenn es sich trashig anhört, weil nur wenn man an sich selbst glaubt und Unterstützung hat, dann kann nichts schief gehen.

Vielen Dank an Marco Scaiano für das Interview und viel Erfolg für die Zukunft.

Autorin & Fotos: Susanna Bouchain

 

 

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