Glück steht im Ukrainischen für „Halluzinationen“. In der neuen GLÜCK-Kollektion von Designer Egor Bashtovenko schlüpft der Ukrainer in Pyjama und Puschen und führt uns in die Tiefen des Unterbewusstseins. Die Vorhänge ziehen sich zu, wie an einer Kinoleinwand. Kommt gleich jemand mit Popcorn vorbei? Lautsprecher beginnen zu rascheln. Ein Hauch von Tick-Tack dringt durch die Luft, gefolgt von einem unerwarteten Schnarchen. Rrrrschnnn. Wurde hier eine falsche Kassette eingelegt? Fragt man sich zunächst. Schnell wird klar, dass schnarchende Klänge und Traummusik die GLÜCK Show Autumn Winter 2024 einläuten.
Salvador Dalí und die Partymode Berlins
Ein Model in einem silbernen mit Pailletten bestickten Kleid und einem Cape mit Luftballons schlängelt sich den Laufsteg voran. Die Luftballons schmiegen sich an ihren Körper. Als Muse eines surrealen Traums beginnt ein Spiel mit dem Raum. Hier glaubt man an die Inklusivität der Körperformen.
Ein Balletttänzer folgt auf spitzen Schuhen in einem weißen Body mit roten Tütü. Spätesten mit dem nächsten Akteur bricht der Designer Geschlechtergrenzen. Der hautfarbenen Body schmiegt sich an ihn, während die Pailetten in Adern umgewandelt als eine Hommage an den Körper durchgehen. Auch er versucht seinen Körper zu verstehen, zu präsentieren. Die Nägel sind so künstlich wie die Mode selbst. Wir sprechen von Kunst und Kostümen. Eine Theatervorstellung? Ein Film? Aus der bühnenartigen Runwaykonstruktion löst sich eine Gestalt. Seine Kreatur gleicht einem Baum, der nicht von dieser Welt zu sein scheint.
Pyjamaparty im Surrealismus-Traum
Die Idee dafür kommt jedoch nicht aus den Träumen des Designers.
„Meine Inspiration für diese Kollektion stammt aus der Musik, die stets einen großen Einfluss auf meinen kreativen Prozess hat. Speziell für diese Kollektion war ich stark inspiriert von Sven Väth und seinen Tracks ‘The Harlequin’ und ‘Accident in Paradise’. Wenn ich seine Musik höre, finde ich mich in einem unwirklichen Zustand wieder, in dem ich die Bilder, die ich auf der Bühne zum Leben erwecken möchte, klar vor mir sehen kann.“
Obwohl GLÜCK mit Party- und Streetwear begann, setzt es in dieser Kollektion mit „Surrealistic Dreamscape” auf so viel Fantasie, dass sie kaum tragbar ist. Bei dieser Menge an Surrealismus verliert man die Schnittstelle zwischen Realität und Scheinwelt und nachts beginnt ein jeder nun wieder das Träumen. Die Zeiten von Dali und Ray, in der das Brechen von traditionellen Normen zur Haltung wurde, sind zurück.
Alles nur geträumt?
Die ganzen Kollektion ist herrlich absurd im Surrealismus verankert. Durchdacht versucht das junge Label die Farben der Elemente, blau, weiß, braun-grün und rot, zu verwenden. Feuer, Wasser, Erde, Luft – vier Inspirationsquellen, die in vier Traumwelten umgewandelt sind. Durch Details wie die schnabelartige Maske oder eine Wolke, die als Hut dient werden Träger und Betrachter auf eine Glücksreise geschickt. Auf Wolke Glück eben. Auch clownsartige Wesen, die mit ihrem Kostümen an Spieluhren erinnern, lassen die unechte Welt auferlegen. Während Berlins Partyszene aufgrund von Plateauschuhe und Latex nicht zu kurz kommt, sorgt das Kleid aus Origamirosen, die mit Draht herausstechen, für Aufregung.
Wie eine Grand Dame des 21. Jahrhunderts stolziert ein weiteres Model in einer Leopardenkreation den Runway entlang. Der aufquellende Rauch ihrer Zigarette blickt und riecht man noch lange hinter her. Handschuhe, die nahtlos im Kleid übergehen, und eine Haube mit einem runden, ausgestellten Kopfschmuck sorgen für Aufmerksamkeit. Gebrochen wird das Ganze, und da bekommt man Berlin wieder zu spüren, durch verschiedene Leo-Muster und ihre Zebra-Overknees.
Das große Finale, eingeleitet durch das Hochzeitskleid darf auch bei GLÜCK nicht fehlen. Mit seinen ausgebrannten Löchern am Reifrock sorgt das Tüllkleid, in klassischer Prinzessinnenform geschnitten, für einen skurrilen Moment.
Ja, es soll ja an eine Vorstellung und an einen Traum erinnern. Der Designer kommt in einem dunkelblauen Pyjama mit Puschen hervorgesprungen, gähnt kurz, zieht seine Schlafmaske ab und springt freudig in die Luft. Bei GLÜCK war kein Grund zu gähnen, denn es war ja alles nur ein Traum.
Autorin: Marie Prinz – Fotos: PR
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