Die Berliner Designerin Isabell de Hillerin im Interview mit Fashionstreet Berlin
Nur noch wenige Tage bis zur Fashion Week– der Countdown läuft. Nähmaschinen glühen-Haare werden gerauft, Ärmel hochgekrempelt. In dieser Zeit läuft alles auf Hochtouren. Man arbeitet und arbeitet, und wenn man nicht arbeitet, arbeitet man auch. Die letzte Woche ist eine nervliche Herausforderung. Doch trotz dem ganzen Trubel, fand die Designerin Isabell de Hillerin Zeit für ein Interview über Allgemeines, Zukunftswünsche und natürlich die anstehende Fashion Week. Freudig lächelnd empfängt sie uns in ihrem Atelier in Berlin Neukölln.
Was denkst du über Trendforscher – nützlicher Helfer oder kommerzielle Diktatur?
Ich halte mich nicht wirklich an Trends. Man wird beeinflusst, und sieht sich auch um was andere machen, aber ich lege da nicht so viel Wert drauf. Ich möchte etwas Eigenes, Neues machen, etwas anschieben, anstatt mich nach Trends und dem Markt zu richten.
Man kann also sagen, dass du gegenüber anderen Designern und Modehäusern mehr Freiheiten hast?
Ich nehme mir die Freiheit zu sagen: ich designe das, was mich inspiriert und ich gut finde, und wovon ich denke, dass es den Leuten gefällt und gerne getragen wird.
Wie würdest du dein Label in drei Worten beschreiben?
Eine Mischung aus Tradition, Moderne und Eleganz.
Entwirfst du eher intuitiv oder strukturiert?
Total aus dem Bauch heraus. Drauflos-ohne zu wissen, wo man landet.
Wo steht man deiner Meinung nach, als Designer in 10 Jahren bei der immer rasanteren Entwicklung der Industrie?
Alles wird immer schneller. Ich denke allerdings, jede Bewegung hat auch eine Gegenbewegung. Ich würde manche Dinge gerne wieder etwas entschleunigen. Wieder auf die besonderen Dinge achten, nicht alles nur vorbeiziehen lassen. In meiner neuen Spring/Summer Kollektion ‚beyond’ die ich nächste Woche auf der Fashion- Week präsentiere, habe ich mich auf genau diese verborgenen Dinge konzentriert.
Für mein Label wünsche ich mir dass, das es so weiter geht und stätig aber gesund wächst ohne die Essenz zu verlieren. Zum Beispiel: Accessoires oder eine Herrenkollektion. Mal sehen, was kommt.
Wird es dann demnächst eine Accessoires-Linie und eine Herrenlinie bzw. Kollektion bei Isabell de Hillerin geben?
Accessoires, also Taschen habe ich seit letztem Winter in die Kollektionen integriert. Auch dieses Jahr sind Taschen wieder Teil der Kollektion. Männerkollektionen zu entwerfen finde ich sehr spannend. Wann das alles passieren wird, ist die Frage, aber Zukunftspläne gibt es auf jeden Fall.
Wird Druck und Konkurrenz in der Zukunft ansteigen?
Es wird immer spannende Designer geben. Konkurrenz ist aber auch belebend. Ich glaube, dass egal wie groß oder klein das Unternehmen ist, oder wie viele andere Unternehmen auf dem Markt sind, man hat immer Druck, es ist die Frage wie man damit umgeht.
Wo würdest du dich gerne in 10 Jahren sehen?
Nicht unbedingt in einer anderen Stadt. Ich möchte schon in Berlin bleiben. Ich würde glaube ich, gar nicht so viel anders machen. Ich würde mir wünschen, dass das Label und das Team weiter wächst. Die Strukturen, der Standort und das Team sind super. Das beizubehalten finde ich schön.
Also ist eine kleine Familie aus eurem Team geworden?
Auf jeden Fall. Und das will ich beibehalten-weil das macht das Label mit aus; nicht nur die Designs, sondern, das ganze Team was da hinter steckt.
In einem Label steckt auch immer viel Herzblut.
Ja, ich glaube Herzblut ist extrem wichtig und gibt einem Label die Seele, wenn das fehlt, macht das Ganze womöglich auch nicht mehr so viel Freude.
Wo steht die Modeindustrie bezüglich traditioneller Handwerkskunst momentan?
Meiner Meinung nach, werden soziale und nachhaltige Aspekte schon gefördert und viele Verbraucher kommt das gut an. Sie entwickeln zunehmend ein Bewusstsein und Gefühl dafür.Aber es gibt auch die, die sagen, Mode ist schnelllebig und muss schnell produziert werden. Und deshalb sehen einige keinen Platz mehr für traditionelle Handwerkskunst in der Mode. Viele finden es aber auch spannend, und schätzen genau dieses Einbringen. Meine Designs sind nicht nur Kleidungsstück, sondern bringen auch eine eigene Geschichte mit sich. Das Bewusstsein zu stärken und zu sagen, das sitzen Frauen dran, die wertvolle Stickereien herstellen finde ich toll. Das ist ein Handwerk, das ich so schätze und gerne unterstütze. Die Textilien, die in unserem Label verwendet werden, werden noch in Europa produziert.
Eigentlich schade, dass nicht alle genau diese Aspekte wertschätzen. Denn so hat man im Vergleich zu Modeketten im niedrigeren Preissegment, ein Kleidungsstück von Wert und Wertigkeit.
Ich glaube, in Deutschland ist man schon sehr weit, was den Gedanken an Nachhaltigkeit angeht. In anderen Ländern ist das noch lange nicht der Fall. Vielleicht braucht das nur noch ein bisschen länger, bis jeder die Aspekte versteht oder auch einsieht. Das ist unter anderem ein Grund, weshalb ich mein Label nicht als Aushängeschild für grüne Mode sehe. Sondern ich mache Mode, die schön und tragbar ist und elegant. Die Frauen sollen sich in meinen Kleidungsstücken wohlfühlen. Dann erst kommt der Aspekt des Handwerklichen. Zu erfahren, dass das nicht industriell produziert wurde oder noch in Deutschland produziert wird- das sind positive Nebeneffekte.
Was bedeutet es für dich persönlich, diese Handwerkskunst mit weiter am Leben zu erhalten?
Dieser Teil macht mir mit am meisten Spaß. Einerseits, weil ich eine Verbindung nach Rumänien habe- meine Familie kommt dort her. Und andererseits, ist es nicht mehr nur eine Zusammenarbeit, sondern etwas Persönliches. Das basiert alles auf Austausch und auf sehr persönlicher und freundschaftlicher Ebene-das gibt mir als Designerin wahnsinnig viel.
Was fasziniert dich so an dem handwerklichen Kunstwerk?
Die verschiedenen Techniken und die Farbenvielfalt. Am spannendsten finde ich, zu wissen, dass so viele Frauen und auch Männer dieses Handwerk beherrschen, es aber keiner mehr anwendet. Da steckt so viel Potential und technisches Know-How dahinter. Dieses Handwerk zu beherrschen ist nicht Ohne und erfordert wahnsinnig viel Muße. Es ist eine Kunst. Und das einfach zu vernachlässigen, was leider viele machen, empfinde ich als sehr schade. Viele junge Leute dort erlernen das Handwerk gar nicht mehr und finden es nicht mehr modern. Deshalb versuche ich es modern zu übersetzten.
Somit zeigst du den jungen Leuten, dass ihre Kunst doch genau in die Zeit passt.
Genau. Und vor allem, dass man Stoffe auch anders einsetzen kann. Der Stoffe, der beispielsweise nur für Tischläufer verwendet wird, funktioniert auch in einem wunderschönen Abendkleid.
Erhälst du Rückmeldung von jungen Leuten aus Rumänien bzgl. deinem Engagement deren Handwerkskunst aufrecht zu erhalten?
In Rumänien gab es gute Presse. Aber in Moldawien habe ich das noch mehr mitbekommen. Wir hatten eine Preview- Kollektionsvorstellung veranstaltet, in der wir die ganzen Handwerkstechniken zeigten. Daraufhin gab es wahnsinnig viel und positive Resonanz. Alle fanden es sehr spannend und waren zudem verblüfft, dass sich jemand aus Berlin für deren Handwerk interessiert und das auch nochmal ganz anders einsetzt. Daraufhin wurden Workshops für Kinder angeboten, um das alte Handwerk nochmal zu lernen. Es sind kleine Schritte, aber es sind Schritte.
Aber du hast doch schon ziemlich viel bewegt.
Ich würde das gerne noch mehr ausbauen. Der Plan oder das was ich mir wünschen würde, wäre ein großes Netzwerk. Nicht nur in den drei Dörfern, mit denen ich zusammen arbeite, sondern zu schauen, wo kann man ein großes Netzwerk aufbauen. Das man auch die Stickerinnen und Weberinnen nochmal richtig ausstattet mit ordentlichen Webstühlen. Dazu muss das Label richtig wachsen, damit wir mehr Leute unterstützen können.
Du bist ja dieses Jahr auch wieder auf der Mercedes-Benz Fashion Week Berlin zu sehen- was erwartet uns auf der MBFWB bezüglich deiner neusten Kollektion?
Dieses Mal werde ich wieder im Mercedes-Benz Zelt eine Show und Installation mit der neuen Sommerkollektion Beyond zeigen. Es wird ein wenig farbenfroher in den Aktzenten, als sonst bei mir: unter anderem durch ein kräftiges Königsblau, Puder-Rosa, Jade und Grün-Töne. Ansonsten verwende ich viel Weiß, Grau und Schwarz. Und natürlich sind Stickereien ein wichtiges Thema.
Was machst du/ ihr um in den stressigen Zeiten nicht ganz durchzudrehen?
Einfach weiter machen und nicht nachdenken. Und wir haben immer viel Schokolade da, um uns bei guter Laune zu halten.
Wenn man Modedesign studiert oder es studieren möchte, denkt man gerne ich mach mich später selbstständig. Man stellt sich das gerne einfach vor, ein Unternehmen allein von heute auf morgen zu gründen- wie war das bei dir?
Was auf mich zukam, habe ich schon unterschätzt. Man weiß, es ist viel Arbeit. Man muss auf vieles achten, extrem schnell reagieren, und die Designs parat haben. Komplett unvorbereitet in die Selbstständigkeit zu springen, so wie ich es getan habe, würde ich nicht jedem raten. Es ist eine tolle Vorstellung ein eigenes Label zu haben. Aber wenn ich damals gewusst hätte, auf was ich mich einlasse, hätte ich es vermutlich gar nicht erst gewagt. Es ist vielleicht ganz gut, dass ich damals so unbedarf an die Sache ran gegangen bin. Generell ist es empfehlenswert, vorab zu recherchieren, und einen Businessplan zu erstellen- bevor man mit einer Kollektion startet. Klare Strukturen machen vieles einfacher.
Was kannst du angehenden Modedesignern bezüglich Selbstständigkeit raten?
Zusätzlich zur Recherche und zum Businessplan, würde ich ihnen raten, ein starkes Konzept zu entwickeln. Wichtig ist auch zu wissen, wo man sich positioniert, und in welchem Preissegment. Außerdem ist Marketingmanagement ein sehr wichtiger Punkt.
Du bist eine junge Designerin mit einem jungen Label in Berlin-können Modeinteressierte bei dir ein Praktikum absolvieren?
Ja, wir arbeiten gerne mit Modestudenten zusammen.
Inwieweit werden Praktikanten mit in den gesamten Prozess eingebunden?
Sobald jemand bei uns mit dabei ist, sind wir ein Team und arbeiten an allen Dingen und Positionen zusammen: an Schnitten, an der Produktionsvorbereitung, an der Kollektionsorder. Wir binden jeden mit ein und versuche im Austausch einen Mehrwert zu schaffen.
Im Namen von Fashionstreet Berlin bedankt wir uns für das nette Interview und die liebevolle Atmosphäre. Und wünschen weiterhin viel Erfolg. Die Kunst, Traditionen modern zu interpretiert, hat einen festen Platz in den Köpfen der Menschheit verdient-weiter so!
Autor: Carmen Faust — Fotos: Stefan Barth