“Sieg Am 17. Oktober 2015 fand in der weitläufigen Räumlichkeit der Station-Berlin die Modenschau Seefashion 15 statt. Studenten der Weißensee Kunsthochschule Berlin zeigten ein vielseitiges Spektrum an Einzelarbeiten und interdisziplinären Projekten. Die ehemalige Bahnhofshalle war atmosphärisch durch Lichtspiele erfüllt und bot den Gästen die Möglichkeit, sich schon vor der Show mit den Arbeiten zu befassen.
Fotos hingen an großen weißen Rahmenstellwänden, optimal beleuchtet durch Neonlampen, die teilweise wie zufällig umgefallen auf dem Boden lagen – eine für die Kunsthochschule typische analytisch-konzeptionelle Raumgestaltung. Die Modenschau wurde von der Rektorin Leonie Baumann mit einer kurzen Rede eingeleitet, wo auch gleich auf die Pause zur Hälfte der Präsentation hingewiesen wurde. Wir haben den Hinweis bei weit über 200 Outfits dankend aufgenommen, denn es wurden neben den Graduate Kollektionen auch viele weitere, teilweise sehr sehenswerte Pieces gezeigt.
Autor: Julia Sophie Hellmann – Fotos: KOWA-Berlin
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Seefashion 15 – Modenschau der Weißensee Kunsthochschule Berlin 2015
Frank Salewski – „Smalltown Boy“
Bevor die Präsentation des Master-Absolventen Frank Salewski begann, war auf dem Beamer ein comicartig illustriertes Gesichtsprofil zu sehen, bei dem die Tränen flossen. Dann betraten seine männlichen Models den Laufsteg. Charakteristisch war ein großflächiges und cleanes Patchwork, das die schwarzen Looks durch grüne und rote Akzente brach. Sowohl die Stoffwahl als auch Schnitte und Details verkörperten einen angenehmen Mix aus Business, Funktionalität, Sportlichkeit und Ästhetik. Kaum ein Stück war anliegend, alles hatte leichten Oversize-Charakter. Innovative Ansätze fanden sich in illustrativen Stickereien, wobei ein Auge wiederkehrendes Element war und in einer Stoffbearbeitung, bei der sich gummiartige, aufgesetzte Strömungen auf transparentem Textil fanden. Die Outfits wurden passend mit Mützen und Dr. Martens kombiniert.
Entwurfsprojekt – Plastisch-experimentelle Formfindung WS 2014/15
Nachdem die Musik sich bis zum Limit gesteigert hatte konnte man eine Vielfalt an Textilkombinationen und asymmetrischen Schnittexperimenten bewundern. Mal standen Falten und Volants im Vordergrund, mal lockere Stoffteile, die wie vergessene Fetzen herumflatterten. Hier und da sah etwas unfertig oder zerschlissen aus. Einige Entwürfe muteten leicht und sommerlich an, andere waren eher skulptural und formten den Körper durch korsettartiges Auftreten. Es wurden viele monochrome Looks gezeigt, gebrochen wurde das Bild oft durch neonfarbene Akzente. Layering und Stoffwahl ließen oft auf kulturell beeinflusste Inspirationen schließen. Besonders interessant waren Details aus Lasercut-Plexisglas mit innovativem Charakter, während braune Papiertüten als Accessoire eher konzeptionelle Tiefgründigkeit vermuten ließen.
Judith Bondy – „Qu’avant“ (dt.: „wie zuvor“)
Die Bachelor-Kollektion der Studentin Judith Bondy wurde durch die Beziehung von Mann und Maschine inspiriert. Die Farbpalette unterstützt das Konzept durch eine Reduktion, die sich auf Rot und Grau beläuft. Rot steht dabei für den Mann, den menschlichen Körper, sein Blut. Grau oder Silber soll mit der Maschine assoziiert werden. Zu sehen waren Outfits, die in ihrer Farbwahl monochrom waren, aber sich schnitttechnisch und detailbezogen durch facettenreiche Kontraste auszeichneten. Locker-fließende Teile trafen auf feste Strukturen und Strumpfhosen bildeten die unterste Layering-Schicht. Neben seidigen und transparenten Stoffen gab es Knitwear und Wollstoffe. Besonders interessant ist die Tatsache, dass Stoffe handgewebt sind, in Zusammenarbeit mit einer Textilstudentin. Großen Wert wurde auf Accessoires gelegt, die hier sehr ungewöhnlich ausfielen: transparente Gürtel, Geschirre aus dünnen Plastikschläuchen, Metallplättchen vom Baumarkt und Kunsthaare, die sich an Ketten oder in Ärmeln fanden.
Lisa Mensching – „Emotionen“
Die edle Kollektion der Bachelor-Studentin Lisa Mensching ist an die Theorie der Basisemotionen des amerikanischen Anthropologen und Psychologen Paul Ekman angelehnt. Die Outfits sind von den Emotionen Wut, Trauer, Furcht, Überraschung, Freude und Ekel inspiriert, sollen diese jedoch nicht ausdrücken. Durch die Wahl der Stoffhaptik entstanden Werke mit klassischer Anmutung, die sich auch in der Farbwahl wiederspiegelte, die vor allem Schwarz, Rot, Beige und Rosé umfasste. Eine Vielzahl von Techniken wie Sieb- und Digitaldruck oder Strick, sowie die Verwendung theatralischer Federn auf einer Jacke sorgte bei näherem Hinsehen für eine moderne Note.Ein schöner Blickfang waren die ringförmigen Ketten, an denen lange Fransen hingen.
Anne-Katrin Rülicke – „12 Beaufort“
Die Bachelor-Absolventin Anne- Katrin Rülicke präsentierte sportliche Looks, die sich durch eine Mischung von klassischen und experimentell-futuristischen Stofflichkeiten auszeichneten. Die innovative Materialwahl verdeutlichte sich in erster Linie durch einen matten Kunststoff, aus dem tolle Jacken entstanden. Das Spektrum der Farbigkeit umfasst zu Anfang Weiß und Türkis, später wird es durch ein anthrazitfarbenes Outfit ergänzt. Neben den fließenden weiten Schnitten bildete ein Plastikrucksack mit Rolllasche einen Blickfang. 12 Beaufort steht als Windstärke für einen Orkan. Die Beaufortskala findet viel in der Seefahrt Verwendung und es lässt sich vermuten, dass die Designerin sich durch die schäumenden Wellen auf hoher See, den Wind und die dunkle Tiefe des Meeres inspirieren ließ.
Lena Chabrova und Kristina Huber – „Sieg über die Sonne“
Die Bachelor-Absolventinnen Lena Chabrova und Kristina Huber thematisieren mit dem Titel “Sieg über die Sonne” die bahnbrechende gleichnamige Oper und die russische Avantgardebewegung des Jahres 1913. Das Russische Museum in St. Petersburg zeigt in einer Dauerausstellung die originalen Kostüme, die die beiden Studentinnen ausgehend von Skizzen Kasimir Malewitschs rekonstruiert haben. Am 13. April 2015 präsentierten die Designerinnen bereits ihre Arbeit mit musikalischer und filmischer Untermalung. Aufbauend auf eine Rekonstruktion starrer Skulpturen-Kostüme und einer Eigeninterpretation der Designerinnen entstand eine Kollektion mit tragbarem Charakter. Zu sehen waren hauptsächlich Weiß- und Graunuancen, die von kräftigen Farben gebrochen wurden. Patchwork fand im Schnitt keine Verwendung, wurde im Print jedoch gekonnt eingesetzt. Ebenso verfuhr man mit der Asymmetrie, die nicht an der Form, jedoch manchmal an der Farb- oder Musterwahl zu erkennen war. Eine aufregend gecuttete Netzspitze und blinkende Schuhe zogen die Blicke auf sich. Bei näherem Hinsehen wurden rough edges, Löcher und zerschlissene Teilstücke sichtbar. Die Formen der Stücke waren größtenteils kastig und voluminös, Volumen wurde vor allem in die Ärmel gelegt.
Experimentelle Raumcollage – Entwurf und Gestaltung eines Kleides SS2015
(Alina Rentsch, Laura Beham, Laura Lührmann, David Quast, Anna-Maria Lösel, Luisa Kleemann, Anne Bellinger, Irina Hefner, Alma Johanna Hagen, Peter Reinholdt, Golo Pauleit, Nadine Bakota)
Die Studenten des Grundstudiums gestalteten im Zuge dieses Projektes Papier- und Materialcollagen, aus deren zweidimensionalen Ansätzen sich später dreidimensionale Objekte entwickelten. Dabei stand das Spiel von Materialien, Texturen und Farben im Vordergrund, so dass letztendlich kontrastreiche menschliche Collagen entstanden. Es wurde ein breites Spektrum gezeigt, dass viele Gegensätze aufwarf: steife und fließende Stoffe, Transparenz und Undurchsichtigkeit, Naturfarben und künstliche Töne, Glanzoptik und matte Anmutung, Futuristik und Klassik, Minimalistik und Extravaganz.
Cornelia Bölke – „Heritage“
Die Kollektion der Bachelor-Absolventin Cornelia Bölke wurde von elektronischer Musik mit arabischem Touch eingeleitet. Die Designerin zeigte Männer und Frauen, die allesamt Hosen trugen. Für die Oberbekleidung hatte sie Hemdformen neu interpretiert und modern aufgearbeitet. Die Kollektion vermittelte einen locker-lässigen Flair, was durch Sonnenbrillen und flaches Schuhwerk unterstützt wurde. Im Gesamtbild vermittelten die Sachen auch oftmals ein angenehmes Unisex-Gefühl, das beispielsweise durch überschnittene Schultern erzeugt wurde. Ein Businesscharakter ließ sich in den ursprünglichen Schnittformen vermuten und blieb durch einen Nadelstreifen-Stoff präsent. Neben den grundlegenden Blauabstufungen und Weiß boten neonfarbene Teilstücke oder Einfassungen hier und da einen Blickfang.
Mira Hardt – „Crossing Lines“
Party!!! Techno-Beats ertönen und die Entwürfe der Master-Studentin Mira Hardt rocken den Laufsteg. Wie der Titel “Crossing Lines” schon vermuten lässt spielt diagonale Linienführung eine große Rolle und wird in Form von Wickeloberteilen und -Röcken umgesetzt. Linien finden sich in dieser Kollektion an den verschiedensten Stellen: Stoffen überlappen sich, Linien kreuzen einander, manche sind dominant, andere fein. Asymmetrie wirkt immer genau durchdacht. In Schnitt und Stoff kommen Längs- und Querbetonungen vor. Gekonnt spielt die Designerin mit verschiedensten Stoffqualitäten wie Mash, Satin und Leder. Pastelltöne harmonieren mit Schwarz, Weiß und einem satten Orange. Auf Schmuck wird verzichtet, aber der Hals wird nur selten vollkommen unbedeckt gelassen. Es wird eine sportlich-schicke Eleganz erzeugt. Die Vermittlung von einnehmender Persönlichkeit sorgt für eine extravagante Anmutung, dennoch sind die Sachen tragbar und für verschiedenste Anlässe geeignet.
Apolda Strick- und Textilworkshop SS2015
Im Zuge des 15. Strick- und Textilworkshops arbeiteten acht Firmen aus den Bereichen Textil-, Strick- und Lederwaren in Apolda (Kreis Weimarer Land) eine Woche mit Designstudierenden von vier europäischen Designschulen. Dazu gehörten neben der Weißensee Kunsthochschule Berlin die Esmod Paris, die Hochschule Trier und die Designskol Kolding. In einem „experimentellen Lehrraum“ konnten die Studenten des Hauptstudiums ihre Kollektionen unter den Themen „Les Fleurs du Mal“ (Gedichtband von Charles Baudelaire), Power Flower und Enchanted Wild entwickeln und produzieren.
Carine Kuntz und Alexander Gaertner produzierten interessante Textildrucke, die sich zwar an natürlichen Inspirationen bedienten, jedoch abstrakte Gebilde zeigten. Ein männliches Model war von Kopf bis Fuß in einen Neonprint gekleidet. Strickelemente wurden bei dem Designteam mal großflächig eingesetzt, mal nur als Detail verwendet.