Am 10. Juli 2014 zeigten die Modestudenten der Universität der Künste Berlin – kurz UDK – mit der UDK Schau 14 Projekte aus dem Haupt- und Grundstudium sowie Abschlussarbeiten im Rahmen der Mercedes Benz Fashion Week Berlin. Die Gäste im Erika-Hess-Eisstadion durften sich fernab von jeglichen Realitätszwängen dem Spirit der Avantgardemode hingeben. Der große Vorteil des Modestudiums wurde deutlich klar: Mode verkaufen, das können die anderen, wir machen Kunst!
Den Anfang machte Thies Meyer, der in seiner Diplomkollektion “Paradies” Männermode für angehende Dandies im Discofieber zeigte. Lässig drapierte Mäntel wurden gebrochen durch einer Materialmix aus konventionellen Anzugstoffen und glitzernden, stark scheinenden Materialien. Schwarz und Graunuancen gaben den Ton an, dazu mischten sich drei monochrome Outfits in Michael-Jackson-Gold, changierendem Rostrot und leuchtendem Kobaltblau.
Danach folgte die Bachelorkollektion “Studies of the Brutality of Fact” von Nick Norton, die sportliche Elemente gekonnt mit asymmetrisch dekonstruierten Schnitten mischte und hier und da Latex mit ins Spiel brachte. Der Look wurde stark geprägt von der Farbwelt aus Burgundy Rot, ruhigen Schwarz und Grautönen, die ergänzt wurden durch transparente weiße und nude farbene Elemente. Farbakzente in Orange, Fuchsiapink und Zitronengelb erzeugten eine das Bild abrundende Spannung.
Milena Kraft nahm uns in ihrer Diplomkollektion “In My Sleep I Dreamed This Poem” mit in eine dunkle Traumwelt. Schwarz auf Schwarz zeigte sich die Materialauswahl: mal glänzend glatt, strukturiert und matt aber immer verschieden kombiniert, zeigte sich eine gewisse Tiefe, die gewiss einer späteren Schlafphase entsprang. Ergänzt wurde die Kollektion durch goldenen Kopfschmuck, der an Dressur oder auch Bondageeinflüsse erinnerte. Letzteres schien auch als Inspiration für die hautfarbenen Lederaccessoires gedient zu haben. Schienbeine, Halspartien und Taillen wurden so in Zaum gehalten und zeigten sich dank der matten, der Haut ähnlichen Oberfläche als interessanter Kontrast zu den eher weichen, fließenden Silhouetten. Der guten Avantgarde-Manier entsprechend, konnte auf den Einsatz von langem Kunst- bzw. Pferdehaar natürlich auch nicht verzichtet werden.
Die Stimmung blieb ernst bei Jennifer Rippel. In ihrer Bachelorkollektion “Der Andere – Dokumentation einer Suche #1” führte sie uns zu durchdringenden Bassklängen in subtile Bereiche ihres Unterbewusstseins ein. Die Models wurden verhüllt mit Hosen und Hemden aus schwarzen, schweren Stoffen, darüber wurden Jacken und Pullover aus winterlichen Samt und Wolle kombiniert, allesamt mit sich auflösenden Prints versehen.
Lisa Mann zeigte uns in ihrer Bachelorkollektion “The Decorated Shed” wie prunkvoll Sportswear in Kombination mit fast “normalen” Herrenschnitten sein kann und erinnerte, dank der Benutzung vieler goldener und bronzefarbener Materialien in Hochglanzoptik, an futuristische Denksport-Olympiaden auf dem Mars.
Anna Lukasek zeigte uns “Another Kind of Love”. In ihrer Bachelorkollektion durften wir organisch skulpturell wirkende Kleider und Mäntel bewundern, die in verschiedenen Farbvariationen, zwischen Himbeersorbet und Zuckerwatte, fast verträumt daher kamen. Das Bild wurde gebrochen durch intergrierte Latexbahnen und addierte, körperabformende Plastikeinsätze in leuchtenden Rottönen. Abgerundet wurden die Looks dank des individuell abgestimmten Kopfschmucks, der in fluiden Formen die Gesichter der Models teilweise verdeckte.
Es folgten die durchmischten Semesterprojekte verschiedener Semester: “Planetary Catwalk”, “Black & White”, “Pur” mit tollen Silhouetten, “Contemporary Crafts” und die besonders herausstechenden und überzeugenden Kollektionen von Studenten des Kurses “P1ON33R2020L@B”. Erstere zeigten unterschiedliche Herangehensweisen eine Modekollektion zu abstrakten Themen zu entwerfen. Ein großes Thema schien durchgehend die Dekonstruktion klassischer Schnitte gewesen zu sein. Dies wurden oftmals als Basis für schnittgestalerische Experimente und weiterführende Drapagen genutzt. Auffällig war auch der Einsatz von eher modeuntypischen Materialien, die dank ihrer klugen Platzierung neben “echten” Stoffen dem Bastelimage entkamen. Gerne wurde mit dem Kontrast zwischen Transparenz und Dichte gespielt, noch lieber kamen eigens entwickelte, kunstvolle Handwerkstechniken zum Einsatz. Kreativität pur gemischt mit durchdachten Konzepten: Das gefiel sehr gut!
Zum Operettenklang zeigte uns Sarah Effenberger in ihrer Bachelorkollektion “Tugend” Herrenmode die etwas an barrocke Basketballspieler erinnerte. Unter gefütterten Bomberjacken fanden sich rockähnliche Hosen und Shorts. Stofflichkeiten aus Samt und technischen Materialien stellten eine gelungene Ergänzung zu den Silhouetten dar. Die Farbwelt wurde beherrscht von einem in verschiedenen Brauntönen ausgearbeiteten organisch wirkenden Print. Ergänzt wurde dieser durch monochrome Teile in Schwarz, Grau und Weiß, sowie einem platziertem, goldenen Ornamentalprint.
Bei Esma Kahyas Bachelor Frauenkollektion „Merge Down“ verschmolzen Mäntel mit Kleidern. Die asymmetrischen, aber dennoch ausgewogenen Silhouetten zeigten wie aus Fragmenten bestehende Kleidungsstücke sich übereinander gelagert zu einem spannenden Look ergänzen. Dominiert von einem cremeweißen, schweren Woll-Walkstoff und einem dunkelroten Samt, integrierten sich halbtransparente Latexeinsätze und rot weiß gemusterte Materialien ins Gesamtbild.
Lisa Sänger zeigte in ihrer Diplomkollektion „Luxus“ eine Herrenkollektion im sportlich eleganten Lagenlook. Schwarze, weite Shorts, Westen und Mäntel liessen hellgrau gemusterte eng anliegende Herrenhemden hervorblitzen. Materialmix und Lochmusterelemente setzten Akzente.
„Porno Chic 2.0“ von Karin Hoffmann begeisterte als eine sich deutlich absetzende Kollektion. Während ihre Vorgänger auf Verhüllung setzten, zeigte sie provokativ Haut. Große, runde Aussparungen in den Kleidern, entblößten die von Büstenhaltern verdeckte Oberweite der Models. Auch sie bediente sich deutlich sichtbar an Elementen aus der Sportswearindustrie, die sie fragmentarisch am weiblichen Körper platzierte. Ergänzt durch Unterwäschedetails näherte sie sich ihrem Thema an. Der typografische Print „Ruf mich an“ unterstrich die Botschaft auf plakative Art. Die Farbpallette betand aus Schwarz, Weiß und Hautfarben. Aufgelockert wurde sie durch einen subtil floralen Print in Pinktönen.
Tanja Ellensohn entführte uns in ihrer Bachelorkollektion „Phantasmagoria“ in eine komplett andere – weltfremde – Dimension. Der Titel passte durchaus, zeigte sie uns phantastische Silhouetten, die beginnend mit langen Spitzhüten nach unten zu wallenden Kleidern und Hosen erweitert, eine durchaus dramatische und gleichzeitig glamouröse Wirkung hatten. Die Farbpalette wirkte wunderbar stimmig konzipiert und klug durchdacht. Schwarz als Basis, vermischten sich die Outfits nach und nach mit Blautönen oder wurden durch Cremeweiß abgelöst, hier und da zusätzlich mit Blockstreifen versehen.
Ulf Brauner nahm uns in seiner Diplomkollektion “Auf und davon nach” mit auf eine Weltreise. Wie es der Name schon andeutet, schien die Herrenkollektion von traditionellen Gewändern aus Wüstenregionen inspiriert zu sein. Warme, helle Sand- und Erdfarben bildeten die Basis, erweitert durch Blautöne und Schwarz. Die aufwendig gewebten Gewänder und Ponchos waren oftmals asymmetrisch entworfen und offenbarten unter sich etwas konventionellere Herrenkleidung, wie Hemden, Hosen und Shorts, oft im eher sportlichen Stil.
Als Trends der vielen kleinen und großen Kollektionen der Modestudenten der Universität der Künste Berlin, waren ganz klar die futuristischen Sportswear Einflüsse zu erkennen, gerne in Kombination mit allem was glänzt. Gold, Silber, Kupfer und laminierte, glitzernde Stoffe durften kaum fehlen. Ab und an stellte sich die Frage, ob es wohl eine Sammelbestellung gegeben hatte oder ein großzügiges Sponsoring eben dieser metallischen Materialien vorlag. Die allgegenwärtige hohe Kreativität war klar zu erkennen und viele Ansätze zu innovativer, neuer Formgebung wurden erprobt. Klassische Schnittkonstruktionen wurden als Basis zur Dekonstruktion und Fragmentierung genutzt, Stoffe und Materialen gerne neuartig und un-industriell verarbeitet. Offene Kanten und Säume gehörten genauso zum guten Ton, wie halbtransparente Überlagerungen und der Einsatz körperferner Drapagen. Latex schien Material Nr. 1 zu sein und wurde in seinen verschiedenen Einsatzmöglichkeiten voll ausgenutzt. Ob im Komplettlook, als Einsatz oder flüssig als Print gegossen, es schien keine Grenzen zu geben. Als eine der Kunst zugeordneten Universität, wäre alles andere auch enttäuschend gewesen. Dennoch positiv vielen die Versuche auf, die Künste teilweise auch auf tragbare Kleidung zu übersetzen. Würden einige dem SM Genre entsprungene Accessoires weggedacht werden, könnten sich ein paar Kleider durchaus “normal” verkaufen. Dies einmal außen vor gelassen, gefiel es uns sehr mit in die persönlich kreierten (Traum-) Welten der Studenten einzutreten, um dem realen Modebusiness für einige Minuten zu entfliehen. Während des Studiums sei es den potenziellen Modeschöpfern der Zukunft sehr gegönnt sich ohne Einschränkungen zu entfalten und frei von zu erreichenden Verkaufszahlen, das unterbewusste Innere nach Außen zu kehren. Die Kollektionen haben viel Persönlichkeit offenbart und es war eine große Freude diese zu betrachten. Danke UDK!
Text: Julia Talita Pagenkopf – Fotos: Mercedes Benz Fashion – Titelfoto: KOWA-Berlin
UDK Schau 14
Thies Meyer — Paradies (Diplom)
Nick Norton — Studies of the Brutality of Fact (Bachelor)
Milena Kraft — In My Sleep I Dreamed This Poem (Diplom)
Jennifer Rippel — der Andere – Dokumentation einer Suche #1 (Bachelor)
Lisa Mann — The Decorated Shed (Bachelor)
Anna Lukasek — Another Kind of Love (Bachelor)
Planetary Catwalk — 3. Semester
Black & White — 3. – 4. Semester
Pur — 5. – 7. Semester
Contemporary Crafts — 5. – 7. Semester
P1ON33R2020L@B — 5. – 7. Semester
Sarah Effenberger — Tugend (Bachelor)
Esma Kahya — Merge Down (Bachelor)
Lisa Sänger — Luxus (Diplom)
Karin Hoffmann — Porno Chic 2.0 (Bachelor)
Tanja Ellensohn — Phantasmagoria (Bachelor)
Ulf Brauner — Auf und davon nach (Bachelor)
Die Studenten
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